Mittwoch, 19. September 2012

To Henge Or Not To Henge?

Es ist, welch Überraschung, Dienstag, und somit beginnt für uns der Alltag. Zumindest schulmäßig, denn die Gruppen sind eingeteilt, wir kennen die Lehrer und wir kennen alle Räume, und trotzdem bin ich aufgeregt, wie sonst nie. Die positive Anspannung löst sich, als Nisi und Jule auch in den Bus steigen, und wir uns ein bisschen unterhalten. Alles schick bei ihnen, alles...unverändert bei uns. Nisi liest meinen Blog und Jule und ich tauschen uns über die Pläne für die Abende aus. Ich bin sehr enttäuscht von unserer Familie, auf ein Neues, doch vielleicht hat Liz' Mutter ja recht, und sie wollen uns nur Freiraum geben. Nur zur Info, ich brauche nahezu keinen Freiraum.
Als wir die Schule erreichen, steigt meine Anspannung wieder. Es ist so eine Mischung aus Vorfreude und Angst vor dem, was kommt.
Wir betreten den Raum und richtien uns ein, bevor Ian uns begrüßt und den Unterricht beginnt. Mein Gehirn schaltet von Deutsch auf Englisch, ein sehr angenehmes Gefühl.
Anfangs erzählt er uns über die englische Sprachgeschichte, danach sollen wir alle von unserem Vorabend erzählen, und Liz wird hoch gelobt, wegen einer ganz tollen Wendung, die mir jetzt ganz spontan entfallen ist. Da sie vor mir dran ist, und mir das meiste vorweggenommen hat, erzähle ich nur vom Spaziergang zum Postamt. Wir sind so spannend, und das scheint auch kurz über sein Gesicht zu huschen, aber vielleicht irre ich mich auch einfach nur.
Nach dieser hübschen Sprachübung gibt es etwas für die Langeweile, denn die macht bekanntlich schlau. Wir lesen Karten, finden diese und jene Stadt und die größten Autobahnen, es wird erst richtig spannend, als er uns über einzelne Gegenden erzählt und uns auf Dinge hinweist, die wir im Laufe dieser Reise noch zu sehen bekommen. Vor der ersten Pause um 9:40 Uhr bekommen wir einen Zungenbrecher, die, wie aus späterer Recherche zu schließen, wohl für alle Programm waren, und zwar "Red leather, yellow leather" (Pendant zum deutschen 'rotes Leder, grünes Leder') und bestreiten in zwei Gruppen den Kampf der Tongue Twister, wir waren besser, so wie zu erwarten.
Wir gehen für die zwanzigminütige Pause in die Kantine und platzieren uns, dank Jojos sozialer Ader, an einem Menschenbrennpunkt. Als Jule und Nisi dann auftauchen, wechseln wir den Platz, denn an diesem Tisch ist einfach nicht mehr genug Platz für noch zwei Leute. Wir setzen uns also an einen leeren Tisch und bald setzen sich Elli und Sophie (zwei Grundschulfreunde und nun Parallelklässler) zu uns, und wir reden ein wenig über die Gastfamilien und ihren Unterricht, denn keiner von beiden ist in unserer Gruppe.
Wir brechen ein klein wenig spät auf, kommen aber noch absolut pünktlich an, da Ian es nicht rechtzeitig geschafft hat. Nach der Pause sprechen wir über William und Kate und die Kürzlich aufgetauchten Fotos, und sprechen über die Monarchie im Allgemeinen. Wir beginnen ein Quiz zu lösen und werden in der Auflösung jäh durch den Pausenanfang unterbrochen. Wir besuchen die Toilette und finden uns für die letzten 10 Minuten in der Kantine ein. Meine Intention mein Sandwich zu essen, verabschiedet sich, als ich den ersten Bissen nehme. Ich mochte Kochschinken noch nie, also gebe ich beide Liz, und erhalte als Tausch ihre Smoked Bacon Chips.
Nach der Pause sprechen wir über Stone Henge und wie es wahrscheinlich aufgebaut wurde, wieso sie allerdings mehrere Tonnen schwere Steine aus Nordwales nach Süd-West England geschleppt haben, um sie in einen Kreis zu stellen konnten wir nicht herausfinden. Ich meine es ist doch auch total unpraktisch, oder? Du kannst kein neues Land durch Kriege erobern, wenn du Steine hin und her schiebst. So nach dem Motto "Excuse me, I'll fight you in a minute, I just put this down first." Vielleicht ist ja auch aus religiösen Gründen entstanden, wer weiß. Oder wie man in England so passend sagt "God knows!"
Er schiebt noch ein paar Infos über Salisbury, zum Beispiel über die wunderschöne Kirche vor Ort, hinterher und entlässt uns dann, mit 5 Minuten Verspätung, aus dem Unterricht. Mir schwirrt der Kopf von den vielen interessanten, aber grundverschiedenen Informationen, und ich bemerke erst, dass etwas nicht stimmt, als wir plötzlich auf der Wiese vor der Kantine und nicht wie gestern auf der Straße vor der Schule stehen. Wir gesellen und zu Nisi und Jule doch auch sie wissen nicht, weshalb wir hier stehen. Das bestätigt mal wieder meine Theorie des Herdentriebes, alle laufen wie Rinder hintereinander her und nur ein Drittel macht sich überhaupt erst Gedanken über das Ziel oder den Grund dieser Wanderung, der Rest denkt an Fressen und Vermehrung.
Wir setzen uns auf eine Bank und ich dokumentiere, in der Angst dort nicht mehr hinzukommen, die Wiese großzügig mit Fotos. Wir unterhalten und über den Unterricht und ich bekomme von Liz die versprochene Tüte Chips. Sie sind gut!
Nach 10 Minuten werden wir dann um Aufmerksamkeit gebeten und darüber informiert, dass, wie uns bereits aufgefallen sein wird, wir ein kleines Problem mit den Bussen haben. Denn unser Doppeldecker ist in der Werkstatt. Lassen sie das auf sich wirken, so wie wir das auf uns haben wirken lassen: Beschweren sie sich lautstark bei einer beliebigen Person in ihrer unmittelbaren Nähe.
Es gibt also, so wird es uns verkündet, eine kleine Planänderung. Wir tauschen das heutige und morgige Programm einfach. Rufe werden laut, größtenteils mit dem Inhalt:"Dafür hab ich aber gar nicht die richtigen Schuhe an!!!", denn nach dieser Planänderung steht heute die Wanderung von Hengisbury Head (übrigens ohne Fährüberfahrt) zu einem Pier an, an dem wir mit dem Bus wieder eingesammelt werden sollen. Aber erstmal müssen wir ja dahin, und zwar mit nur 1/3 vom Platz, den wir sonst immer haben. Wie bekommt man etwas mit mehr Volumen als das Gefäß in selbiges? Mit ganz viel Druck! Wir sitzen also jeweils zu dritt auf einer Zweierbank, weil sie illegaler wohl einfach nicht handeln wollen und lassen erstmal ein paar Leute zurück. Es ist unbequem aber nicht schrecklich und die Fahrt dauert auch nur einige Minuten. Als wir ankommen sind wir alle begeistert von der Landschaft und der Luft. Es ist alles wunderschön und die erste Attraktion für Nisi und Liz ist ein kleines Hundetier, Liz meint es sei ein Spitzmischling gewesen, und ich Hundenoob vertraue ihr da voll und ganz. Jule und ich stehen da drüber und als die anderen wieder zu uns stoßen, nimmt unser geheimes Projekt mehr und mehr Gestalt an.
Unser Guide Tom beginnt die Wanderung im Stechschritt, was mir zu denken gibt, aber naja. Liz schießt bereits auf dem Wegen zur ersten Pause gefühlte 300 Fotos und auch ich versuche fleißig Bild um Bild für die Nachwelt zu sichern. Wir kommen am Strand an und machen eine kurze Pause. Dieser Ort besticht durch eine unglaubliche Aussicht und ich habe das Gefühl, meinen inneren Frieden gefunden zu haben. Allzu bald schon winkt Tom uns weiter und ich höre etwas von "nicht ewig Zeit" noch ein Punkt, an dem ich mir hätte Sorgen machen müssen. Stattdessen aber laufen Jule und ich dicht an der Spitze der Gruppe den Hügel hoch und auch dort bleiben wir kurz für diverse Fotos stehen und es entsteht ein weiteres Gruppenfoto.
Weiter geht es und ich lande wieder neben Liz und plötzlich läuft Tom neben uns und verwickelt und in ein Gespräch über Jugendliche, Drogen, Hobbies und Musik und schließlich bleiben wir beim Thema Gesang hängen. Das geht fast 10 Minuten lang so und innerlich glühe ich vor Freude! Eine echte Unterhaltung mit einem interessierten Briten! Ich schwebe auf Wolken und bin noch Minuten später überglücklich. Es war eigentlich ein banales Gespräch und doch war das mein absolutes Highlight!
Genug Schwärmerei, und zurück zu den Tatsachen.
Die nächste Pause machen wir einige Minuten später auf einer weiteren Anhöhe auf der wieder einige Fotos entstehen. Wenn es rauf geht, geht es auch wieder runter und so tapsen wir, bedacht auf Estetik und das nicht-auf-Fresse-Fallen den Hang hinunter immer am Wasser entlang. Nach einer langen Dünenlandschaft kommen wir endlich an eine asphaltierte Straße die direkt am Strand entlang führt. Mittlerweile hat sich unsere Gruppe extrem auseinander gezogen und wir sehen weder den Anfang noch das Ende. Nach zwei Stunden Wanderei mit einigen kurzen Sitzpausen sind wir mehr als erfreut endlich mal etwas anderes im Sand zu sehen als Sand. Nämlich eine scheinbar unterirdische Quelle. Wir legen unsere Sachen auf dem Weg ab und knien uns aufgeregt neben das sprudelnde Wasser und tasten im aufgewirberlten Sand. Wir ertasten eine Art Loch und sind ganz aufgeregt! Bald haben uns unsere Lehrerinnen eingeholt und stehen kurz interessiert am Wegesrand, bevor sie uns vorsichtig darauf hinweisen, dass wir da grade fröhlich im hiesigen Abwasser planschen, woraufhin Nisi und Liz quietschen und ohne Umwege an den Rand des Ozeans rennen, um sich die Hände dort zu waschen, ein bisschen sinnlos, wie ich im Nahhinein feststelle, denn schließlich wird das Abwasser ja genau dorthin geleitet. Vielleicht bemerkt mein Unterbewusstsein das schon vorher, weshalb ich nicht panisch zum Wasser renne. Stattdessen höre ich entgeistert zu, wie Frau Schenk so etwas sagt wie "Ja, ich erinnere mich, da hing ein Schild mit 'faeces' drauf, ich glaube das heißt Fäkalien oder so.". Aus einem unerklärlichen Grund weiß ich genau was faeces heißt und nicke nur, während sie auf Grund meiner Entgeisterung grinst. Die Lehrergruppe setzt sich langsam in Gang und meint, dass ich ja auf die Rucksäcke meiner Companions aufpassen würde. Ich versicherte ihnen, dass es okee ist, uns hier zurück zu lassen, schließlich faulen uns ja nur die Arme ab. "Nee nee", meint Frau Schenk "die kriegen nur rote Flecken!", und mit diesen Worten drehen sie sich um und gehen weiter. Die andern beiden sind mittlerweile auch wieder da und wir desinfizieren uns die Hände.
Als wir die Lehrer eingeholt haben, wird kein Wort mehr darüber verloren, worüber ich dankbar bin, es gibt Kapitel im Leben, die sollten nicht mit solchen Leuten verlebt werden, und der Kontakt mit Ausscheidungen gehört meiner Meinung nach definitiv dazu.
Der Rest des Weges ist schwer und windig, aber nicht spektakulär. Schlussendlich schaffen wir es dann nach gechätzten 4 Stunden zum Pier und fahren mit dem überfüllten Bus wieder nach Hause.
Wir werden an unsere Haltestelle abgesetzt und als wir uns nach Hause geschleppt haben, ahnen wir schlimmes. Kein Auto in der Auffahrt, kein Auto auf dem Bürgersteig. Keine Suttons (unsere Familie) im Haus. Wir sehen es positiv, wir wollten eh noch in die Stadt. Also lassen wir einen Zettel da, auf dem steht, dass wir gegen 19:00 Uhr wieder da sein werden.
Wir kaufen in einem Supermarkt namens Waitrose (noch nie gehört) etwas kleines zu Essen, weil wir einfach wahnsinnig hungrig sind und essen es in der Nähe des Stadtzentrums auf einer Bank. Dabei beobachten wir Teenager.
Unser eigentliches Ziel die Kirche erreichen wir nicht mehr, es ist schlichtweg zu anstrengend und wir trotten nach Hause. Als wir ankommen öffnet uns Daren die Tür und wir gehen in unser Zimmer. Dort bleiben wir auch, bis es Essen gibt. Heute sind es leckere Pommes und semi-leckere Burger, von denen ein Großteil übriggelassen wird. Wir machen einen Resteteller, so weiß er nicht, für wen morgen nicht die Sonne scheint.
Karen ist nicht Zuhause und wir bleiben in unsrem Zimmer bis sie wieder eintrifft.
Als sie dann da ist, gehen wir runter um ihr die Lunchboxen zu bringen. Sie fragt uns diesmal sogar nach unserem Tag und ich bitte sie, mir zur Schule einfach nur Wasser in die Flasche zu füllen, sie lächelt verständnisvoll. Als wir zurück oben sind, grinse ich Liz mit meinem debilen Freudengrinsen an, was ich immer dann aufsetze, wenn ich es einfach vor Freude nicht zurückhalten kann. Sie fragt, ob sie etwas verpasst habe und ich presse ein "richtige Unterhaltung!!!" durch die Zähne.
Jetzt liege ich hier und ich werde von Liz gedrängt, sie hört sich das Blog gerne vorm Schlafen an.

Gruß an alle German People!
Specialgruß: Liz' Mum! Danke für das Lob und die Treue Leserschaft!

2 Kommentare:

  1. Hi Schwesterherz,

    Du bist ja schreibtechnisch in Hochform!!
    Es ist fast als wäre ich dabei ^^
    Nur immer weiter so.
    Ich lese deine gesammelten Werke nachher Omi vor.
    Achso mehr querformatige Bilder bitte und nicht die Videos vergessen.
    Viel Spaß wünschen dir auch weiterhin

    Sandra und Bruderherz

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  2. Hey!

    Carsten war so freundlich deinen Blog weiter zu geben!

    Ich bin immer wieder begeistert von deiner Schreibweise und bin froh über die Abwechslung zum üblichen Trott! (Ich muss gerade ein wenig nachholen also wird bestimmt nachher noch ein weiterer Kommi folgen)

    Wünsch dir unbekannterweise noch ganz viel Spaß! :-)

    Liebe Grüße

    Jenny

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