Mittwoch, 19. September 2012

Pearshaped

Der Morgen dieses wunderschönen Mittwochs beginnt wie immer in einem Dunstschleier. Der Wecker klingelt um 6:30 Uhr und ich werde wach. Um Lisa zu wecken, damit sie den blöden Wecker ausstellt. Das wiederholt sich dann, bis es bereits 7:55 Uhr ist, und ich die Tatsache, dass wir sonst zu spät kommen, nicht mehr verdrängen kann. Wir stehen also auf, machen uns fertig und taumeln die Treppe herunter. Das ist übrigens ein gutes Zeichen, denn anfangs konnten wir diese Treppe nicht ohne Bergsteigerzubehör besteigen. Wir sind die ersten am Tisch und wünschen der Grade entschwindenden Karen einen guten Morgen. Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass sie einfach schüchtern sind, denn heute tauten sie schon mehr auf. Wir setzten uns also und beginnen die morgentliche Routine. Liz Kornflakes, ich Toast und ein paar flache Witzversuche gut verteilt zwischen uns beiden. Kurze Zeit später tauchen auch Lara (hier und im weiteren Kimberly, einfach weil wir finden, dass es besser passt) und Charlie auf, Urne setzen sich, noch reichlich unausgeschlafen, zu uns. Wir zwei verstummen und essen in der Stille weiter, stehen dann aber auch direkt auf, als fertig sind, schließlich sind wir spät dran.
Wir ziehen uns also an und gehen runter um unsere Lunchpakete zu holen, stießen jedoch nicht wie vermutet auf alle vier, sondern nur auf die verbliebenen zwei, da unsere Mitbewohner ihre Pakete wohl schon mitgenommen haben. So kann ich leider nicht unter den Chipstüten auswählen, aber was soll's.
Wir wünschen einen schönen Tag und verlassen das Haus erneut ohne die uns zugeteilten Behausungsanhängsel. Wir müssen nicht hetzen und kommen komplett entspannt an der Haltestelle an. Und noch während wir Frau Berger begrüßen, fährt der Bus hinter uns an die Haltestelle.
Der Weg zur Schule ist unspektakulär aber ich bin, so wie es wohl den Rest der Reise sein wird, total aufgeregt und gespannt auf die heutige Stunde. Ich werde nicht enttäuscht, denn auf dem Plan heute stehen zwei Lieder, ein Zungenbrecher, Informationen über Salisbury und Redewendungen zum Thema Körper.
Die Lieder sind nicht anspruchsvoll, aber süß traditionell und mähen viel Spaß. Eins davon geht so:
Polly put the kettle on
Polly put the kettle on
Polly put the kettle on
We'll all have tea!
Wir reden über die Engländer und ihr Verhältnis zum Tee und sind alle der selben Meinung: Sie lieben ihn!
Und nach dem wir das festgestellt haben, geht es weiter mit einem Quiz, einem Gedicht mit schwierigen Worten, in dem wir übrigens besser sind, als die Kant-Leute, und wie schon erwähnt den Infos über Salisbury und seine Kathedrale.
Salisbury (Solsbury gesprochen) ist eine alte englische Stadt, dessen Kathedrale bis vor einigen Jahren den höchsten Aussichtsturm Europas hatte und auch heute noch die älteste, noch funktionierende, mechanische Uhr beherbergt, welche damals ein Mönch aus dem einfachen Grund, dass er immer vergaß wann die Messen waren, entwickelte. Außerdem kann man dort eine der vier Kopien der 'Magna Carta', zu Deutsch große Karte, besichtigen. Das ist das erste Schriftstück, auf dem jemals Menschenrechte festgehalten und auch festgelegt wurden. Wir halten also fest, hier haben wir bereits zwei Erfindung und Premieren, die wir den Briten zu verdanken haben: die mechanische Uhr und die Menschenrechte.

Nach der Schule, die zwar extrem interessant, aber eben auch nur für uns interessant war, geht es dann weiter zum magischen Steinhaufen! Sprich Stone Henge.
Wir verlassen das Schulgelände und setzen uns, diesmal ohne Verzögerungen in unseren Bus, und stellen erstaunt fest, dass wir bis auf den Busfahrer die einzigen Insassen sind. Als dann auch dieser uns verlässt und uns sagt, wir sollen schön auf die Sachen aufpassen, wundert uns das schon ein bisschen. Wir bleiben aber, auch auf die Gefahr hin, vergessen zu werden oder einfach im falschen Bus zu sitzen, an Ort und Stelle, schließlich haben wir hier eine Aufgabe, und die können wir ja schlecht nur für unsere eigenen Bedürfnisse vernachlässigen.
Nach ungefähr 5 Minuten strömt auch der Rest unserer Gemeinschaft vergnügt in den Bus, weiß der Geier, was die da draußen so lange gemacht haben.
Ich habe das Gefühl, dass das eine lange Busfahrt wird, und fange an zu schlafen. Mein Gefühl bestätigt sich, als ich zirka eine halbe Stunde später wieder aufwache und mir noch die letzten 15 Minuten wichtige Fakten von Steve, unserem heutigen Guide, anhöre. Als wir ankommen sind auch alle anderen aufgewacht und wir steigen auf den unscheinbaren Parkplatz.
Nach dem typischen Pipigang geht es dann los, an mehreren desinteressierten Schülergruppen, die von ihren Guides etwas erzählt bekommen vorbei, direkt an die Schlange hinein in das eingezäunte Gebiet um Stone Henge. Frau Berger läuft neben uns und wir unterhalten uns über die Bauweise und alles andere, was man so über Stone Henge weiß. Es fühlt sich gut an, ihr etwas zu erzählen, was sie wirklich zu interessieren scheint und ich freue mich, das Wissen aus dem Unterricht gleich an unbedarften Opfern zu testen.
Bevor wir das Gelände betreten können, laufen wir durch den Tunnel, den ich seit Jahren vor mir sehe, und ich freue mich sehr, dass ich ihn endlich wieder sehe. Der Steinhaufen ist mir wohl doch ans Herz gewachsen. Dann geht es aber wirklich auf das Gelände, und ich bin erstaunt von der überwältigenden Schönheit dieser ersten Architektur. Übrigens wieder etwas, was sich die british People auf die Kappe schreiben, die erste Architektur.
Die sattgrünen Wiesen rings um die riesenhaften Steine, die in mystischen Formen angeordnet sind. Es ist wunderhübsch. Aber hält auch nur auf den ersten 150 Metern. Weil der Weg aber einmal herum geht, fotografieren wir Stoni einmal aus allen Winkeln, Unit allen möglichen Menschen drauf und mit allen möglichen Geräten. Es entstehen, dank Bruno, auch wieder Gruppenfotos und unser geheimes Meisterwerk wächst.
Es werden natürlich auch alberne Touribilder gemacht, bei denen Nele die Steine stützt, oder Fee sie umzuwerfen versucht.
Als auch diese Hürden gemeistert sind, geht es zum Giftshop! Ein weiteres Feature, was man besonders in England findet, sind die Giftshops am Ende einer Attraktion, in denen man sämtlichen Tinnef kaufen kann, und meisten auch kauft. Ich entscheide mich allerdings dagegen, anders als Jule, Liz und Nisi.
Wir sitzen wieder im Bus und auch diese Fahrt über dämmere ich mit dem sanften Klang unseres englischen Guides vor mich hin. Mir scheint es geht nach Salisbury und ich habe recht. Als wir ankommen wird uns verkündet, dass wir erst gemeinsam in die Kathedrale und anschließend dann individuell bis 17:00 frei die Gegend erkunden werden.
Super, denke ich mir, eine richtig schön deutsche Tourigruppe auf dem Weg zu einer Sehenswürdigkeit, kann es noch schlimmer kommen? Nein, nein, konnte es zumindest in diesem Moment nicht.
Wir gehen also zu Kirche, schön in Zweierreihe und schlendern dann über den wunderschönen englischen Rasen zum Eingang. Hier, anders als bei Stone Henge, ist es Rasen, auch schön, aber gezähmter.
Wir treten in die Kirche. Es ist keine Kirche, dass kann ich jetzt mit Sicherheit sagen, es ist eine Kathedrale! Es ist ein Palast, es ist Kunst. Ich verstehe den Hype um die moderne Architektur nicht, wenn es doch auf der Welt so viel schönere Formen gibt. So wie diese Kathedrale. Ich schieße am Anfang ein paar Fotos und auch der Taufbrunnen in der Mitte des Kirchenschiffes wird dokumentiert. Wir gehen zu einem Ständer, an dem man Kerzen anzünden kann, und bin dabei in Gedanken bei meinen liebsten Zuhause. Lange Zeit schweigen wir an diesem heiligen Ort, vertieft in uns und in Gedanken versunken.
Als wir das Kirchenschiff verlassen, um uns die Magne Carta anzuschauen, treten wir durch eine unsichtbare Schranke und durchbrechen die Antischallmauer. Wir betreten das Chapter House und stellen uns an der 'Kartenschlange" an, wobei Liz und Nisi sich gegen die Karte und für eine zweite Ründe durch die Kirche entscheiden. Wir treffen uns, nach einiger Sucherei, am Ausgang und treten gemeinsam den Gang in die Stadt an. Wir haben noch knappe 50 Minuten und entscheiden uns für den vorher entdeckten "New Look", nicht ohne vorher noch eine Fotosession mit einer Telefonzelle gemacht zu haben. Kurz bevor wir das Geschäft erreichen, werden wir dank des kleinen Theo (ein Hund) in ein Gespräch mit seinem Halter verwickelt. Ein netter älterer Herr, der viel Spaß an solchen Unterhaltungen zu haben scheint. Im Shop kauft Liz sich ein Paar Schuhe, die ich später unter die Nase gehalten bekomme.
Weil wir nicht mehr genug Zeit für einen weiteren Laden haben, gehen wir zu Burger King. Welch ein Ersatz! Außerdem kauft sich Jule noch ein wundersüßes Eulenkissen bevor wir dann schlussendlich am Bus landen.
Dort wird auch Frau Berger in die Pflicht gezogen, und an unserer Haltestelle leistet auch sie ihren Beitrag zu mehrfach erwähntem Meisterwerk.
Wir gehen unsere Straße entlang und sehen voll Erleichterung das Auto in der Einfahrt. Als uns Karen die Tür öffnet, beginnt sie eine richtige kleine Unterhaltung, in der wir ihr erzählen, dass wir heute in Stone Henge waren, wegen dem Tausch der Aktivitäten, wegen der Buspanne. In 15 Minuten gibt es Essen und wir gehen so lange hoch und werfen uns ab.
Als es dann Essen gibt, sitzen wir alleine am Tisch. Wir sind uns nichteinmal sicher, ob Lara und Charlie überhaupt schon Zuhause sind also fangen wir einfach erstmal an. Es gibt eine Art Pie, wobei es auch als Quiche hätte durchgehen können, Kartoffelecken und Eisbergsalat mit Gurken und Tomaten. Lara und Charlie kommen die Treppe herunter und setzen sich zu uns, sie sehen diese Tiefe Bindung zwischen uns?
Als wir dann alle fertig sind, räumen wir ab und gehen nach oben. Die beiden anderen wollen sich wohl noch mit jemandem treffen, obwohl wir sowieso nur noch eine Stunde haben, bis wir drinnen sein müssen.
Also sind Liz und ich alleine und als wir unsere Lunchboxen in die Küche bringen wollen, macht Liz eine unangenehme Entdeckung. Bereits am ersten Abend hatte sie ihr Lunchbox irgendwo angesetzt, oder einfach in Bus gelassen, was ich nicht glaube. Sie hatte Karen Bescheid gegeben und Karen meinte, das sei kein Problem. Als sie an diesem Abend also nach ihren Lunchsachen sucht, bleibt die Dose allein. Die Flasche ist diesmal die Abtrünnige und bald sind alle Taschen durchsucht. Ich liege vor Lachen am Boden. Sie ist allerdings völlig aufgelöst, und wir müssen uns vor dem Gang in die Küche einen Plan ausdenken, der sie nicht allzu doof dastehen lässt. Ich habe die zündende Idee und schnappe mir ihre Flasche von der Reise. Ich spüle sie aus, und erkläre Liz mein Vorhaben: ich nehme ihre Volvicflasche, sie nimmt meine richtige, wenn Karen fragt, sage ich etwas wie "Sie hat ihre aus versehen weggeschmissen, aber weil sie ja bereits die Brotbüchse angesetzt hat, ist ihr das peinlich, also sagen wir ich was es *zwinker*" dann würden wir alle herzlich lachen und die Sache wäre vergessen. Liz findet das sei eine gute Idee und so machen wir uns auf den Weg. Ich gehe die einstudierten Texte nochmal im Kopf durch, als mir auffällt, dass die Küche leer ist, und fasse mir innerlich an die Stirn. Wir stellen die Büchsen und die Außenseiterflasche hin, und gehen prustend wieder in unser Zimmer. Wie wir heute im Unterricht gelernt haben, Pass hier die Wendung: It all went pearshaped! (das ging voll in die Hose!)
Nun ist es 22:33 und Liz ratzt friedlich neben mir.

Liebe Grüße an alle Zuhause und viel Spaß beim Lesen
Specialgruß: Liz Großeltern! Danke für die Komplimente und den Vorschlag! Ich überleg es mir =D

1 Kommentar:

  1. Wie und du hast mir keinen Sammellöffel mitgebracht?
    Ich bin fassungslos und desillusioniert. *buhuu*

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